HNA-Bericht
HNA-20201126.pdf
Adobe Acrobat Dokument 144.8 KB

Erschütternde Zustände im neuen Lager auf Lesbos

In einem ergreifenden Interview auf Facebook schildert die 10jährige Reijana aus Afghanistan ihre Situation im Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos.

Anfang November erreichen uns erschütternde Nachrichten von Alice Kleinschmidt per Telefon aus Lesbos. Nach dem Brand im Lager Moria ist ein neues Lager eingerichtet worden mit noch katastrophaleren Zuständen als im Lager Moria.

 

Hier einige Auszüge aus dem Gespräch:

 

Die Lage im neuen Lager, das direkt am Meer liegt, ist äußerst prekär. Bis zunächst Ende Nov. `20 ist ein Voll-Lockdown verhängt worden, man kommt nur raus, wenn man zuvor an eine Behörde eine SMS geschickt und danach die Erlaubnis zum befristeten Ausgang erhalten hat (z.B. Arztbesuch; dringender Einkauf bei Lidl, der nebenan liegt).

 

Die Sicherheitslage im neuen Lager ist im Vergleich zum alten zwar besser, dafür gleicht die "Wohnsituation" allerdings einem unbeschreiblichen Elend:

  • Es gibt z.B. nur ganz wenige Elektroanschlüsse, somit ist das eigene Kochen kaum möglich, private Elektroheizungen sind verboten
  • Unterbringung ausschließlich in unbeheizbaren Zelten, es gibt keinen einzigen Container auf dem Gelände, die Nächte sind mittlerweile sehr kalt, die Winde heftig und es regnet viel; die Menschen "wohnen" wie Wohnungslose/Obdachlose...
  • auf dem ganzen Gelände gibt es kein fließendes Wasser
  • es sind ausschließlich (ständig völlig verdreckte) Dixie-Klos vorhanden
  • der Lebensstandard im Lager befindet sich auf dem niedrigsten Niveau, es gibt, anders als im alten Moria, auch keine kleinen Geschäfte mehr, um einen kleinen Bedarf an Lebensmitteln, Trinkwasser oder Hygieneartikel zu decken
  •  es gibt keinerlei Bildungseinrichtungen
  • die Schlangen für die Essensausgaben sind sehr lang, die Menschen stehen für Stunden ungeschützt im Wetter; jeder hat Anspruch auf lediglich 2 Liter Trinkwasser/Tag
  • es gibt eine ständige, unangekündigte umfassende Überwachung und Kontrolle der Lagerbewohner durch die Aufsichten, ebenso die ständige Feststellung ihrer Anwesenheit, man will die prekäre Situation diesmal auf jeden Fall unter Kontrolle halten
  • nur sehr wenige "Externe" haben Zutritt zum Lager, man darf keinerlei Gegenstände mit hineinnehmen

Z.Zt. kommt ca. 1 Boot/Woche mit ca. 20-30 Personen auf Lesbos an; die illegalen pushbacks aufs offene Meer sind mittlerweile mehrfach belegt und auch, dass Frontex darin verwickelt ist ("Monitor" berichtete z.B. darüber)

 

Unser welcome office arbeitet z.Zt. weiter; es ist ein Umzug in ein größeres Gebäude geplant (ca. 200qm), das bedeutet, dass wir nach Ende des Lockdowns etwa 5-6 Gruppen zusätzlich unterrichten können, was deswegen sinnvoll ist, weil die Nachfrage/das Interesse an Unterricht sehr sehr groß ist und wir im Grunde der z.Zt. einzige "Anbieter"; es gibt sehr viele geflüchtete Kinder/Jugendliche, die 4-5 Jahre auf der Flucht waren und in dieser Zeit keine Schule besuchten, was "verlorene Jahre" bedeutet!